Inzucht

Inzucht

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Ịn|zucht 〈f. 20; unz.〉
1. 〈bei Pflanzen u. Tieren〉 = Reinzucht (1)
2. 〈beim Menschen〉 Fortpflanzung unter engen Blutsverwandten

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Ịn|zucht, die; -, -en:
Fortpflanzung unter nahe verwandten Lebewesen:
in der Tier- und Pflanzenzucht beschleunigt I. die Bildung erbmäßig reiner Stämme;
die Einwohner des abgelegenen Dorfes waren durch I. degeneriert.
Dazu:
ịn|züch|tig <Adj.>.

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I
Inzucht,
 
Fortpflanzung zwischen eng verwandten Individuen bei Pflanzen, Tieren und dem Menschen, wodurch über mehrere Generationen die Nachkommen genetisch immer ähnlicher werden. In der Pflanzen- und Tierzucht wird durch diese Methode Erbgleichheit (Homozygotie) für bestimmte Merkmale angestrebt und erreicht. In der freien Natur ist sie bei Tieren selten. Wenn schädliche, krank machende rezessive Gene bei den Geschlechtspartnern vorhanden sind, und nur dann, besteht das Risiko von Erbkrankheiten. Früher traten diese bei Menschen in abgeschlossenen Bergdörfern und auf isolierten Inseln daher häufiger als in den übrigen Bevölkerungsgruppen auf.
 
Sexuelle Handlungen zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie (Großeltern, Eltern, Kindern und Enkeln) und zwischen Geschwistern sind inzestuöse Handlungen (Inzest) und unterliegen in fast allen menschlichen Kulturen einem Tabu. Das Risiko einer Erbkrankheit ist dabei nur in dem oben angegebenen Fall größer, hingegen bei der erlaubten Verbindung zwischen Cousin (Vetter) und Cousine (Base) schon deutlich geringer.
 
II
Inzucht,
 
Fortpflanzung durch Paarung von Individuen innerhalb einer Population (Erbverband, Rasse), die enger miteinander verwandt sind als die Individuen der Population im Durchschnitt zueinander; die Inzucht reicht je nach Verwandtschaftsgrad von mäßiger Inzucht (Paarung von entfernt verwandten Individuen) bis zur engsten Inzucht oder Inzestzucht (Paarung nah verwandter Individuen, z. B. Geschwisterpaarung). Genetisch bedeutet Inzucht die Zunahme der homozygoten (reinerbigen) und Verminderung der heterozygoten (mischerbigen) Genpaare, da gleiche (gemeinsam ererbte) Anlagen bei Verwandtenverbindungen häufiger zusammentreffen als bei Nichtverwandten. Besonders auffällig ist dies bei rezessiv erblichen Merkmalen, die nur bei Reinerbigkeit in Erscheinung treten. Inzucht beschleunigt die Konsolidierung der Genotypen und führt zu einer Ausgeglichenheit der Individuen (Art- und Rassenbildung) und stellt einen wichtigen Faktor der Stammesentwicklung dar. Im Fall einer Inzuchtdepression kommt es zur Degeneration beziehungsweise Verminderung von Fruchtbarkeit, Wachstum, Leistungen, was bis zu einem Inzuchtminimum führen kann. Als Inzuchtgrad wird die Stärke der Inzucht bezeichnet. Der Inzuchtkoeffizient ist ein Maß für die Intensität und das Ausmaß der Inzucht; er gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der zwei allele Gene in einem Individuum herkunftsmäßig gleich sind (beide von dem gleichen Gen eines gemeinsamen Vorfahren abstammen).
 
Das Auftreten einer Inzuchtdepression wurde in der menschlichen Gesellschaft offenbar sehr früh erkannt, da Verwandtenehen in allen Kulturen mit religiösen und rechtlichen Restriktionen und Tabus belegt sind. In einigen Sonderfällen, z. B. in den altägyptischen Pharaonendynastien, lassen sich aber Beispiele für bewusste Inzucht beim Menschen finden (Bruder-Schwester-Ehen). Für die Humangenetik von besonderer Bedeutung sind relativ kleine religiöse, kulturelle oder geographische Isolate menschlicher Populationen wie die Mennoniten in Nordamerika, die einen hohen Inzuchtkoeffizienten aufweisen.
 
In der Tier- und Pflanzenzucht hat Inzucht von jeher eine große Rolle gespielt. Bei vielen Haus- und Nutztierrassen wurde besonders in der Anfangsphase und zum Zwecke der Vereinheitlichung neben der Reinzucht mehr oder weniger intensiv Inzucht betrieben. Damit wurden zum Teil große Erfolge (relativ rasche Festigung erwünschter Erbanlagen, Ausgeglichenheit im Bestand nach recht kurzer Zeit, Sicherheit in der Vererbung) erzielt; die gleichzeitig mögliche Häufung von schlechten Anlagen kann jedoch bei enger Inzucht zum Aussterben des ganzen Bestandes führen.
 
Daher ist man in den meisten Nutztierzuchten (z. B. Rinder-, Schweine-, Pferdezucht) von den engsten Inzuchten abgekommen oder wendet sie nur einmal an, um dann zur Linienzucht überzugehen, der Paarung ingezüchteter, aber nicht zu nahe verwandter Tiere, bei der man den durchschnittlichen Inzuchtgrad im Bestand mäßig hoch hält, aber den durchschnittlichen Verwandtschaftsgrad zu einem besonders herausragenden Tier (Linienbegründer) steigert oder zumindest erhält. Angewendet dagegen wird die enge Inzucht heute vielfach in der Geflügelzucht zur Entwicklung von Inzuchtlinien mit stark homozygoten Individuen (z. B. durch Geschwisterpaarungen über mehrere Generationen), da die Kreuzung solcher Inzuchtlinien untereinander zu den erwünschten Heterosiseffekten (Heterosis) führt.
 

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Ịn|zucht, die; -, -en: Fortpflanzung unter nahe verwandten Lebewesen: in der Tier- und Pflanzenzucht beschleunigt I. die Bildung erbmäßig reiner Stämme; Die großen Schweine haben den Ferkeln die Schwänze abgefressen. Es soll eine Krankheit oder I. sein (Müller, Niederungen 134); die Einwohner des abgelegenen Dorfes waren durch I. degeneriert; Ü in diesem Kreis herrscht die reinste I. (ugs.; durch allzu starke Isolierung eine völlig sterile Atmosphäre).

Universal-Lexikon. 2012.

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